Diskussionsunterlagen 2000 Exchange Rate Regimes in an Increasingly Integrated World Economy |
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I. Überblick
Die Wechselkursregime der Länder im heutigen Währungs- und Finanzsystem sowie das System selbst unterscheiden sich beträchtlich von den Vorstellungen der Bretton Woods-Konferenz von 1944, auf der der IWF und die Weltbank gegründet wurden. Im Bretton Woods-System galt folgendes:
Im heutigen System schwanken die Wechselkurse zwischen den wichtigsten Währungen (hauptsächlich US-Dollar, Euro und japanischer Yen) als Reaktion auf Marktkräfte mit kurzfristiger Volatilität und in einigen Fällen großen mittelfristigen Pendelschlägen (Abbildung 1). Einige mittlere Industrieländer haben marktbestimmte frei schwebende Wechselkursregime, während andere, darunter einige europäische Länder außerhalb des Euro-Raums, strengere Anbindungen aufweisen. Die Entwicklungs- und Übergangsländer haben einen weiten Fächer von Wechselkursvereinbarungen, wobei bei vielen, wenn auch nicht bei allen Ländern die Tendenz besteht, zu einer stärkeren Wechselkursflexibilität überzugehen (Abbildung 2). Das Umfeld dieser Vielfalt an Wechselkursregimen weist die folgenden Merkmale auf:
Aus den jüngsten Krisen in den aufstrebenden Märkten ist die Lehre zu ziehen, dass die Anforderungen für die Aufrechterhaltung einer Wechselkursanbindung für Länder mit starken Verbindungen zu den globalen Kapitalmärkten auf Grund der zunehmenden Mobilität des Kapitals immer anspruchsvoller werden. Deshalb sind voraussichtlich Regime wünschenswert, die ein beträchtliches Maß an Wechselkursflexibilität ermöglichen, es sei denn, der Wechselkurs ist durch ein Currency Board (Währungsamt), eine Union mit einer anderen Währung oder die Annahme einer anderen Währung als Inlandswährung (Dollarisierung) fest gebunden. Flexible Wechselkurse zwischen den Währungen der wichtigsten Industrieländer bleiben wahrscheinlich ein Kernelement des Systems. Die Einführung des Euro im Januar 1999 leitete eine neue Phase in der Entwicklung des Systems ein, die Europäische Zentralbank hat jedoch das eindeutige Mandat, die Geldpolitik auf das Ziel der internen Preisstabilität und nicht auf den Wechselkurs zu konzentrieren. Es ist jedoch auch möglich, das viele mittlere Industrieländer sowie Entwicklungs- und Übergangsländer in einem Umfeld zunehmender Kapitalmarktintegration marktbestimmte frei schwebende Wechselkurse beibehalten, selbst wenn mehr Länder langfristig vielleicht strengere Anbindungen wählen. Die Aussichten sehen also folgendermaßen aus:
Der Ansatz des IWF besteht nach wie vor darin, die Mitgliedsländer in Bezug auf die Auswirkungen der verschiedenen Wechselkursregime zu beraten, es den einzelnen Ländern zu überlassen, welches Regime sie wählen und Politikempfehlungen auszusprechen, die mit der Aufrechterhaltung des gewählten Regimes im Einklang stehen (Kasten 1). II. Wechselkursregime für die wichtigsten WährungenIm Laufe der letzten beiden Jahrzehnte wiesen die Wechselkurse zwischen den wichtigsten Währungen — US-Dollar, japanischer Yen und die D-Mark gemeinsam mit ihren Partnerwährungen im Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vor der Einführung des Euro im Januar 1999 — sowie die Währungen anderer großer Industrieländer beträchtliche nominale und reale kurzfristige Schwankungen und große mittelfristige Ungleichgewichte auf:
Die Auffassungen darüber, ob, wie und in welchem Ausmaß es wünschenswert ist, den Versuch zu unternehmen, die Wechselkurse der wichtigsten Industrieländer zu stabilisieren, sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von der Befürwortung einer völligen Freigabe, eine Auffassung, die insbesondere von denjenigen vertreten wird, die davon überzeugt sind, das die Wechselkurse immer die Grunddaten widerspiegeln und dass Regierungen und Zentralbanken in diesem Bereich nicht über Wissen verfügen, das dem des Marktes überlegen ist, bis zu Vorschlägen für die Einführung einer einzigen Weltwährung. Zu den Zwischenlösungen gehören Bandbreiten, ein quasi-festes Wechselkursregime zwischen den wichtigsten Währungen durch Regeln für die Geldpolitik, die auf den Wechselkurs abzielen, sowie verschiedene Vorkehrungen für die wirtschaftspolitische Koordinierung, die den Wechselkurs berücksichtigen. Es gibt unter den heutigen Umständen zwei grundlegende Einwände gegen Systeme, die den Versuch unternehmen, ein hohes Maß an Wechselkursanbindung zwischen Euro, Yen und Dollar zu erzielen:
Es gibt aber dennoch Argumente für die Beobachtung potentieller schwerwiegender Fehlanpassungen innerhalb der Überwachungstätigkeit des IWF und für gelegentliche Korrekturmaßnahmen. III. Wechselkursregime mittlerer Industrieländer Mittlere Industrieländer haben im letzten Vierteljahrhundert umfassend von festen Wechselkursregimen Gebrauch gemacht, insbesondere im Wechselkursmechanismus (WKM) des Europäischen Währungssystems. Das Vorhandensein einiger noch verbleibender Beschränkungen für den internationalen Kapitalverkehr sowie die Bereitschaft, Paritätsanpassungen vorzunehmen, bevor die Ungleichgewichte zu groß werden, haben in den 80er Jahren zum relativ reibungslosen Funktionieren des WKM beigetragen. Im Anschluss daran war das System jedoch den schwerwiegenden ,,asymmetrischen Schocks“ ausgesetzt, die mit der deutschen Vereinigung zusammenhingen, und wurde auf Grund der zunehmenden Kapitalmobilität und der Festigung der Wechselkursparitäten im Anschluss an die Verhandlungen über den Maastricht-Vertrag von 1991 über die politische Union und die Währungsunion anfälliger. Das System wurde 1992/93 einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt, als spekulativer Druck zum Austritt von Italien und dem Vereinigten Königreich führte. In den darauf folgenden Jahren bis zur Einführung des Euro und der Gründung der Europäischen Währungsunion im Jahre 1999 funktionierte der WKM relativ reibungslos, wodurch das Risiko von Wechselkurskrisen innerhalb Europas beseitigt und die Anstrengungen zur Erreichung von Konvergenz untermauert wurden. Eine Reihe anderer mittlerer Industrieländer hat über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgreich frei schwebende Wechselkursregime aufrecht erhalten und hingenommen, dass die Kurse als Reaktion auf die Marktkräfte regelmäßig und manchmal sogar beträchtlich schwanken. Zu diesen Ländern gehören Kanada, das ursprünglich von 1952 bis 1960 ein frei schwebendes Regime gewählt hatte und 1970 vor dem allgemeinen Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems zu einem solchen System zurückgekehrt war; die Schweiz sowie Australien und Neuseeland, die die Handelspartner diversifiziert und sich von der Abhängigkeit von Rohstoffexporten gelöst haben. Auf Grund der fehlenden Wechselkursanbindung waren diese Länder dazu gezwungen, durch eine glaubwürdige Verpflichtung zu niedriger Inflation einen anderen nominalen Anker für ihre Geldpolitik einführen, was in einigen Fällen durch ein Inflationsziel und die operationelle Unabhängigkeit der Zentralbank erleichtert wurde. IV. Wechselkursregime der Entwicklungs- und Übergangsländer Die Wechselkursregime der Entwicklungs- und Übergangsländer sind sehr vielfältig; sie reichen von sehr strengen Währungsanbindungen bis zu relativ frei schwebenden Kursen, wobei es viele Zwischenlösungen gibt. Dies ist angesichts der großen Unterschiede in der Wirtschafts- und Finanzlage dieser Länder auch keineswegs verwunderlich. Mit zunehmender Anpassung an die größer werdenden Chancen, die sich aus einer tieferen Einordnung in eine zunehmend integrierte Weltwirtschaft ergeben, sowie an Änderungen ihrer eigenen Wirtschaftslage haben diese Länder jedoch aus folgenden Gründen eine Neuausrichtung zu mehr Flexibilität vollzogen:
Die jüngsten Krisen der aufstrebenden Marktwirtschaften — von der ,,Tequila-Krise“ 1994-1995, die in Mexiko entstand, bis zu den Krisen in Asien, Russland und Brasilien von 1997 bis 1999 — haben einige Beobachter zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass Regime mit fester Wechselkursanbindung von Natur aus krisenanfällig sind und dass die aufstrebenden Marktwirtschaften in ihrem eigenen Interesse und im Interesse der internationalen Gemeinschaft ermutigt werden sollten, frei schwebende Wechselkursregime zu wählen. Bei der Prüfung dieser Schlussfolgerung ist jedoch Folgendes zu berücksichtigen: während die jüngsten Krisen viele aufstrebende Marktwirtschaften, die in die globalen Finanzmärkte eingebunden sind, direkt und negativ beeinflusst haben, haben sie die meisten Entwicklungs- und Übergangsländer nur indirekt (durch Bewegungen in den Weltrohstoffpreisen und den Handelsströmen) getroffen. Außerdem waren natürlich in den am meisten betroffenen Ländern andere Faktoren als die relative Festigkeit der Wechselkursregime die Ursache der Probleme. Insbesondere Russland und Brasilien hatten schwerwiegende fiskalische Probleme, während die asiatischen Krisenländer unter einem schwachen Finanz- und Unternehmenssektor litten. Die folgenden Bedingungen sind wahrscheinlich günstige Faktoren, wenn sich ein Land für die Annahme eines Wechselkursregimes mit fester Anbindung entscheidet:
Bei Anwendung dieser Kriterien scheint eine feste Wechselkursanbindung weiterhin für eine Gruppe von Ländern mit kleiner Volkswirtschaft sinnvoll zu sein, die einen vorherrschenden Handelspartner haben, der eine ausreichend stabile Geldpolitik betreibt. Dazu gehören die kleinen Inseln im karibischen und pazifischen Raum sowie die Länder der CFA-Franc-Zone. Für diese Länder ist es im Allgemeinen wenig sinnvoll, die Kosten für den Versuch zu tragen, eine unabhängige Geldpolitik zu verfolgen. Einige wichtige regionale Gruppen von aufstrebenden Marktwirtschaften — darunter die ASEAN- und Mercosur-Länder — haben sowohl diversifizierte Beziehungen zu den Industrieländern als auch einen beträchtlichen intraregionalen Handel. Diese Gruppen stehen vor dem Problem, dass beträchtliche Wechselkursschwankungen innerhalb der Gruppe wie auch gegenüber den Industrieländern destabilisierende Auswirkungen haben können. Eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems besteht darin, eine regionale Vereinbarung über die Geld- und Wechselkurspolitik zu erwägen. Keine dieser Gruppen besitzt jedoch zur Zeit die institutionellen Strukturen oder den politischen Konsens, die für eine regionale wirtschaftliche Integration erforderlich sind. Dies gilt auch für eine Geld- und Wechselkurspolitik der Art, für deren Entwicklung in Europa mehrere Jahre erforderlich waren. In der nächsten Zukunft könnten weniger formale Mechanismen zur Koordinierung der Wechselkurspolitik machbar sein. Vor der jüngsten Krise wurde die Wechselkurspolitik zwischen den ASEAN-Ländern de facto durch nationale Politiken koordiniert, die Wechselkursschwankungen gegenüber dem US-Dollar begrenzten. Ähnliches gilt für den Mercosur, wo die Schwankungen gegenüber dem argentinischen Peso vor der Freigabe des brasilianischen Real Anfang 1999 durch die jeweilige Wechselkurspolitik gegenüber dem US-Dollar begrenzt wurden. Regime mit Wechselkursanbindung setzen eine explizite oder implizite Verpflichtung der politischen Behörden voraus, die Wechselkursschwankungen auf ein Maß zu begrenzen, das einen annehmbaren nominalen Anker für die Erwartungen des Privatsektors in Bezug auf die Entwicklung des Wechselkurses und die zu seiner Stützung erforderliche Geldpolitik darstellt. Die strengste Form der Wechselkursanbindung ist ein Currency Board (Währungsamt), in dessen Rahmen, die Geldpolitik dem Wechselkursregime vollständig untergeordnet wird (Kasten 2). Ein solches System lässt keinen Raum für Anpassungen des realen Wechselkurses durch Änderungen des nominalen Wechselkurses. Die Anpassungen an die sich ändernden Rahmenbedingungen müssen also durch andere Mittel wie Inlandspreise und -kosten sowie Wirtschaftsaktivität und Beschäftigung erfolgen. Abgesehen von der völligen Freigabe verdienen unterstützende Maßnahmen, die den Devisenmarkt durch staatliche Interventionen und Kontrollen beeinflussen, unter allen Wechselkursregimen Aufmerksamkeit. Der Kernpunkt besteht darin, dass wohlwollende Vernachlässigung des Wechselkurses in den meisten Fällen wenig wünschenswert ist. Wenn der Devisenmarkt dünn ist und von einer relativ kleinen Anzahl von Händlern beherrscht wird, ist es wahrscheinlich, dass der Wechselkurs volatil ist, wenn die Behörden nicht lenkend oder unterstützend eingreifen. Dieses Problem wird noch verschärft, wenn es keine langfristigen nachweislichen Erfolge für stabile makroökonomische Politiken gibt, die einen festen Anker für die Markterwartungen darstellen. Deshalb ist es in der Praxis so, dass selbst Entwicklungs- und Übergangsländer, die relativ flexible Wechselkursregime aufrecht erhalten, normalerweise sowohl auf die Geldpolitik als auch auf staatliche Interventionen zurückgreifen, um den Wechselkurs zu beeinflussen. Interventionen sind im Allgemeinen in Ländern effektiver, in denen der Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten begrenzt ist, so dass die Behörden eher dazu in der Lage sind, die Bedingungen auf dem Devisenmarkt durch direkten Kauf oder Verkauf von Devisen zu beeinflussen.
Abbildung 2. Entwicklungsländer: Entwicklung der Systeme mit Wechselkursanbindung1, 1975-1998 |